„Miguel, du musst die
Welt retten.“
Der aus dem Nichts heraus
Angesprochene blickte sich erschrocken um. Niemand war zu sehen.
„Ich bin hier“, sagte die
Stimme.
Miguel sah immer noch
keinen Menschen. Er hoffte, dass diese Stimme keine Folge der letzten Nacht
war. Schließlich war es nur unwesentlich mehr Tequila gewesen als sonst.
„Ich bin rechts von dir“
Dort war nur eine Wand.
Großzügig interpretiert konnte man den Lautsprecher in der Ecke als „rechts von
dir“ durchgehen lassen.
Ich glaube, ich werde verrückt, dachte Miguel. Jetzt höre ich Stimmen aus
meiner Stereoanlage. Er überzeugte sich, dass sie ausgeschaltet war. Miguel
entschloss sich zum Gegenangriff. „Wer bist du?“
„Endlich spricht jemand
mit mir“, sagte die Stimme, in der Erleichterung mitschwang.
Miguel fühlte sich
belästigt. „Diese Unterhaltung wird ganz schnell wieder zu Ende sein, wenn du
nicht sagst, wer du bist und was das soll“.
„Entschuldigung, ich war
unhöflich. Es kommt so selten vor, dass jemand antwortet. Ich habe vor
Überraschung vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Fynndir.“
„Fynndir? Was ist das
denn für ein Name? So einen Namen habe ich noch nie gehört. Kein Mensch heißt
so.“
„Stimmt“, kam es trocken
zurück.
Miguel gehörte nicht zur
Sorte geduldiger Menschen. „Also jetzt reicht es mit dem Unsinn. Verschwinde
von hier und lass mich in Ruhe.“
„Das kann ich nicht.“
Miguel sprang auf und
riss den Stecker seiner Stereoanlage aus der Dose. „So, jetzt ist Ruhe. Ich
lasse mich doch nicht von einer Stimme verarschen.“
„Wieso entfernst du die
Stromversorgung deines Audiowiedergabegerätes? Fühlst du dich von ihm gestört?“
fragte die Stimme neugierig.
Miguel kochte. Er ließ
das Kabel mit dem Stecker am Ende kreiseln. Bereit, auf alles und jeden
einzudreschen, der es wagte, sich zu zeigen. „Nein, von DIR fühle ich mich
gestört. Verschwinde!“.
„Ich verschwinde erst,
wenn du die Welt gerettet hast.“
Das war zu viel für
Miguel. Er begann mit dem Kabel wild durch die Luft zu peitschen. Dabei ging
jede Menge Glas und Porzellan zu Bruch. Immerhin bewahrte er noch so viel
Vernunft, seine geliebte Stereoanlage und den Fernseher zu verschonen. Dabei
schrie er immer wieder „Verschwinde!“ und „Lass mich in Ruhe!“. Er warf mit
diversen Schimpfwörtern um sich. Dafür war sein Sprachschatz so unerschöpflich
wie die Bibliothek von Amazon. Schließlich hatte er sich so weit abreagiert,
dass er erschöpft auf seiner Couch niedersank.
„Fühlst du dich jetzt
besser?“, fragte die Stimme besorgt.
Miguel seufzte. Zu einem
erneuten Wutausbruch fehlte ihm die Energie. „Sag jetzt endlich, was du von mir
willst“, antwortete er resigniert.
„Das sagte ich schon“.
Miguel musste einen
Moment nachdenken. Dann fiel es ihm wieder ein. „Du willst Unmögliches“,
protestierte er. „Ich bin allein und es gibt so viel Schlechtes auf der Welt.
Wo soll ich anfangen?“
„Das wüsste ich auch
gerne“, sympathisierte die Stimme. „Hilf mir herauszufinden, warum alles schief
läuft, damit ich es korrigieren kann.“
Miguel blickte sich
misstrauisch um. „Bist du Gott?“
Es dauerte einen kurzen
Moment, bis er eine Antwort bekam. „Das kommt ganz auf den Standpunkt an. Aus
meiner Sicht bin ich kein Gott. Aus deiner Sicht verfüge ich über alle
Eigenschaften, die man von einem Gott erwartet. Ich bin allwissend und
allmächtig. Ich kann gütig sein und grausam. Ich verbreite Liebe und Hass. Ich
bestimme über das Schicksal der Menschheit.“
Miguel war nicht
sonderlich beeindruckt. „Na, soweit kann es damit auch wieder nicht her sein.
Wozu brauchst du Hilfe, wenn du wirklich allwissend und allmächtig bist?“
„Selbst Götter unterliegen
der Fügung“, wich Fynndir einer direkten Antwort aus. „Ich muss herausfinden,
warum der Wohlstand und die Ressourcen so ungleich verteilt sind.“
Miguel zuckte mit den
Schultern. „Das sieht doch ein Blinder. Weil die Reichen und Mächtigen alle
anderen ausbeuten. Wenn du wirklich allmächtig bist, brauchst du bloß das zu
ändern und alles wird gut. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen. Und wenn du
gerade dabei bist, hätte ich gerne noch zehn Millionen US-Dollar, eine dicke
Yacht in Miramar, und dass sich Beyoncé Knowles in mich verliebt und mir alle
Wünsche von den Augen abliest. Oder bist du kein Gott und kriegst das nicht
hin?“
„Wenn du mir hilfst
kannst du die zehn Millionen und die Yacht haben. Das mit Beyoncé geht
allerdings nicht. Die ist eine Nuono. Als Alternative könnte ich dir Charlize
Theron oder Eva Longoria anbieten.
Miguel war verwirrt.
Bisher hatte er Beyoncé für eine US-Amerikanerin gehalten. Schließlich siegte
seine angeborene Skepsis. „Das sind doch nur leere Worte. Wenn ich dir helfen
soll, musst du schon etwas Konkretes bieten.“
„Mach den Koffer auf und
schau nach“, sagte Fynndir.
Miguel blickte sich
suchend um. „Welchen Koffer?“
„Oh, entschuldige. Ich
habe vergessen, dass du mich nicht sehen kannst. Sieh nach im Schrank.“
Während sich Miguel
aufmachte seinen Koffer zu holen, fuhr Fynndir fort. „Das ist wirklich zu dumm.
Es wäre leichter für uns beide, wenn du mich sehen könntest. Kannst du dich
nicht etwas mehr öffnen?“
Miguel hatte keine Ahnung
wie er das anstellen sollte. Noch mehr Tequila trinken wollte er nicht. Deshalb
entschied er sich für das Einfachere und öffnete den Koffer. Er betrachtete den
Inhalt für ein paar Sekunden. Schließlich griff er hinein, holte ein Bündel
heraus und hielt es in die Höhe.
„Willst du mich
verarschen?“, rief er aufgebracht. „Was soll der Unfug, mir lauter halbe Tausend-DollarNoten
zu geben? Damit kann ich nichts anfangen!“
„Betrachte es als
Vorschuss“, sagte Fynndir geduldig. „Du bekommst eine Hälfte jetzt und die
andere, wenn du mir geholfen hast.“
Miguel ließ sich in die
Polster seiner Couch zurücksinken. „Du scheinst es wirklich ernst zu meinen.
Aber ich habe keine Ahnung, wie ich dir helfen kann. Das Leben ist ungerecht.
Immer. Sogar jetzt. Ich muss zwei Jobs machen, um einigermaßen über die Runden
zu kommen. Du kommst ungefragt in mein Leben geschneit, und gibst mir einen
Koffer mit zehn Millionen Dollar. Trotzdem habe ich immer noch keinen Cent mehr
als vorher. Nicht mal zur Bank kann ich damit gehen. Die verhaften mich sofort,
wenn ich damit aufkreuze.“
Fynndir musste seine
aufkommende Verzweiflung unterdrücken. Was er auch versuchte, es endete immer
gleich. Niemand schien ihm helfen zu können. „Denk nach“, versuchte er Miguel
zu motivieren. „Es ist ein Glücksfall für uns beide, dass du dein Leben als
ungerecht empfindest. Du musst doch eine Idee haben, wer oder was dafür
verantwortlich ist.“
„Na klar habe ich das. Es
sind die Reichen, die in ihrer endlosen Gier immer mehr haben wollen. Die haben
die Macht, alles für sich zu behalten und uns Anderen gerade so viel zu lassen,
dass wir nicht verhungern.“
„So habe ich die Welt
aber nicht erschaffen. Die Menschen hatten ihren Platz in der Natur, und alles
war gerecht verteilt. Es gab mehr als genug. Ich habe den Homo Sapiens so
kreiert, dass er als gleichberechtigtes Mitglied einer Gemeinschaft am
glücklichsten ist. Er fühlt sich am wohlsten mit einer ausgeglichenen Mischung
zwischen Egoismus und Altruismus.“
Miguel hatte nur die
Hälfte von dem verstanden, was dieser Fynndir sagte. Dann dämmerte es ihm.
„Sprichst du vom Paradies? Willst du sagen, dass es das wirklich gab? Wenn ja,
warum hast du zugelassen, dass Adam und Eva daraus vertrieben wurden?“
Fynndir rollte mit den
Augen, was Miguel nicht sehen konnte. „Diese Geschichte ist ein alter Hut. Das
ist ein Märchen, das ihr Menschen euch ausgedacht habt. Ich habe alle Speicher
durchsucht. Einen Adam und eine Eva hat es nie gegeben.“
„Ist auch egal. Stell den
paradiesischen Zustand wieder her und alles ist gut“, sagte Miguel
hoffnungsvoll. Wer einfach so aus dem Nichts einen Koffer mit zehntausend
halben Tausend-Dollar-Noten erscheinen lassen konnte, der vermochte sicher auch
das Paradies wiederherzustellen.
Doch Fynndir enttäuschte
ihn. „Das kann ich nicht. Selbst, wenn ich wollte. Die Erde verfügt nicht über
genügend Ressourcen für sieben Milliarden Menschen. Es reicht höchsten für ein
bis zwei Milliarden. Wenn ich aber fünf Milliarden einfach lösche, greife ich
zu sehr in die Simulation ein. Sie ergibt nur Sinn, wenn die Dinge sich von
selbst entwickeln.“
Es dauerte einige
Momente, bis Miguel das soeben Gehörte verarbeitet hatte. Die Geschichte begann
unheimlich zu werden. „Was meinst du mit Simulation?“, fragte er verunsichert.
Fynndir war überrascht.
War er zu weit gegangen? Hätte er das mit der Simulation nicht sagen dürfen?
Ihre Lage war verzweifelt. Sie mussten unbedingt eine Lösung für die
Überbevölkerung finden. Das war die Ursache für alle Probleme. Sie hatten
Millionen Simulationen gestartet, aber nur diese war mit der Situation der
Nuono vergleichbar. Er durfte den Kontakt zu Miguel nicht verlieren.
„Naja, dir muss doch klar sein, dass die Erde nur eine Simulation ist!“
„Ähhhh, nein, wieso?“,
fragte Miguel verstört.
„Na, das ist doch offensichtlich.
Wie glaubst du eigentlich, dass solche Wunder, wie die zehn Millionen Dollar
zustande kommen? Oder denk nur mal an all die Wunderheilungen oder
Wundererscheinungen, über die regelmäßig berichtet wird. Du gehörst doch einer
Religion an, bei der Wunder eine Rolle spielen, oder?“
„Und das soll ein Beweis
dafür sein, dass die Welt eine Simulation ist?“, fragte Miguel ungläubig. „Gott
hat die Welt erschaffen und ist für die Wunder zuständig. Das weiß jeder!“
Der ist nicht so leicht
zu überzeugen. Ich muss stärkere Geschütze auffahren, dachte Fynndir. „Denk an
das, was du in Physik gelernt hast. Die Welt ist aus Quanten aufgebaut. Sowohl
der Raum, als auch die Zeit. Die Idee dazu stammt übrigens von mir“, fügte er
stolz hinzu. „Wegen der begrenzten Rechen- und Speicherkapazität können wir
kein kontinuierliches Universum simulieren. Die Ressourcen, die uns zur
Verfügung stehen, reichen nur für eine grobe Quantisierung. Schließlich müssen
wir Millionen von Szenarien gleichzeitig durchspielen. Es erstaunt uns immer
wieder, wie nahe wir damit an die Realität herankommen.“
Miguel verstand kein
Wort. Wer immer dieser Fynndir war, er sprach größtenteils in Rätseln. Zum
Glück wurde Miguel von niemandem beobachtet, wie er da völlig verwirrt in
seiner kleinen Wohnung, am Rande von Mexico City auf seiner Couch saß. Oder
doch? Er fragte sich, ob das Ganze nicht irgendeine Fernsehgesellschaft
inszeniert hatte, um ihn auf den Arm zu nehmen. Als unfreiwilliger
Unterhaltungsclown für ein Millionenpublikum. Immerhin lauschte er der Stimme
eines Unsichtbaren, der unverständliches Zeugs über „Guantn“ oder so ähnlich
daher faselte. Oder hatte er sich verhört und dieser Fynndir meinte den Song
„Guantanamero“ von Jose Fernandes Diaz? Womöglich lachte sich das Publikum gerade
tot über ihn. Auf jeden Fall wurde es Zeit, den Raum zu verlassen. Dieser hier
war vermutlich mit Kameras verguantet oder wie immer man das jetzt nannte.
Miguel sprang auf, schnappte sich seine Jacke und verließ die Wohnung.
Im Café gegenüber setzte
er sich an einen ruhigen Platz und dachte über Fynndir und dessen Problem nach.
Es war ja nicht so, dass er ihm nicht helfen wollte. Aber es war unmöglich. Was
alles schief läuft, ist offensichtlich. Warum, konnte Miguel auch nicht
erklären. Dieser Fynndir war vielleicht kein Gott, verfügte aber über wertvolle
Fähigkeiten. Auf jeden Fall wollte Miguel an die anderen Hälften der
Geldscheine herankommen. Egal wie. So eine Chance bekam man nicht noch einmal
im Leben. Zehn Millionen Dollar!
Die letzten Worte musste
er laut ausgesprochen haben. Die blonde Touristin vom Nachbartisch hatte sich
umgedreht und ihn verwundert angeschaut. Sie sah wirklich gut aus. Genau sein
Typ. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. War das nicht… doch das musste sie
sein. „Hola Chica, möchtest du mir morgen das Frühstück ans Bett bringen?“
Miguel hatte ein Händchen
für Frauen. In 999 von 1000 Fällen hätte ihm dieser Spruch eine herbe Absage
eingebracht. Aber intuitiv wusste er, dass die Anmache bei ihr ankommen würde.
Sie lächelte ihn an und
setzte sich zu ihm an den Tisch. „Sí, mi corazón. Mit dem größten Vergnügen. Hast du soeben was von zehn
Millionen Dollar gesagt?“
„Ja, stell dir vor was
ich für ein Glück habe. Auf einmal finde ich zehn Millionen US-Dollar in meinem
Schrank.“
Die Blondine beugte sich
vor und legte ihre Hand auf den Arm. „Das ist ja unglaublich. Wirklich einfach
so oder hast du in der lotería gewonnen?“
Miguel zögerte, ob er alles
erzählen sollte. Er hatte gerade eine Glückssträhne und wusste nicht, wie lange
sie anhalten würde. Noch war alles offen. Die Banknoten waren nur halbe und Charlize
war noch nicht in seinem Bett. Vermutlich stand irgendwo in Miramar eine halbe
Yacht. Für einen Moment fragte sich Miguel, ob dieser Fynndir sie quer oder
längs geteilt hatte.
Vielleicht war es auch eine Pechsträhne. Oder doch nicht? Sieben Milliarden
Menschen lebten auf der Erde und er bekam an einem Tag zehn Millionen Dollar
und eine der schönsten Frauen der Welt auf dem Silbertablett serviert. Einfach
so aus heiterem Himmel! Das konnte kein Zufall sein. Alles, was noch zu tun war,
er musste diesem Fynndir antworten.
Miguel griff nach der
Hand von Charlize und beugte sich seinerseits vor. Ihre Lippen waren nur noch
wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ein Blick in ihre Augen genügte. Sie
würde ihm jeden Wunsch erfüllen. Genau so, wie er sich das gewünscht hatte.
Und genau so schnell
konnte alles wieder weg sein. Verdammt noch mal. Denk nach! Dieser Fynndir hat
selbst gesagt, dass er keine Ahnung hat, wieso alles schief läuft. Warum sagst
du ihm nicht einfach irgendetwas? Ist doch egal was. Hauptsache, er glaubt es.
Vor ihm lockte noch immer
die schönste Einladung zu einem Kuss, die er je bekommen hatte. Plötzlich
musste Miguel grinsen. Eine Idee breitete sich in seinem Kopf aus. Aber vorher
musste er das hier besiegeln.
Deutlich später sagte er
beiläufig und ohne sich an jemand Bestimmten zu wenden: „Es gibt zu viele
Menschen. Konsequente Geburtenkontrolle reduziert die Weltbevölkerung, dann
bleibt mehr für alle.“
„Geburtenkontrolle?“,
fragte Fynndir. „Das habe ich schon in allen Varianten simuliert. Das
funktioniert nicht, weil die Menschen sich die Anzahl der Kinder nicht
diktieren lassen wollen.“
Miguel fühlte sich als
Experte auf diesem Gebiet. „Natürlich nicht. Die Menschen müssen es wollen. Vor
allem die Frauen. Alles, was du tun musst, ist die Geburtenkontrolle in die
Hände der Frauen zu legen.“
„Das habe ich noch nicht versucht.
Wie genau stellst du dir das vor?“, fragte Fynndir neugierig.
Miguel lachte. Er hatte
gewonnen. Charlize hinter sich herziehend, überquerte er die Straße. „Das
erzähle ich dir morgen. Nach dem Frühstück.“
Fynndir
sank frustriert in seinem Ledersessel zusammen. Wieder ein Misserfolg. Erschöpft
rieb er sich die Augen. Er und seine Kollegen waren sich so sicher gewesen. Aber
auch diese Simulation war gescheitert. Trotz der Mühe, die sie sich gemacht
hatten.
Mit
viel Aufwand hatten sie in die Simulation eingegriffen und diesem Miguel Valdez
alles gegeben, was er wollte. Im Gegenzug hatte er bei dem Projekt
Geburtenkontrolle geholfen. Fynndir musste anerkennen, dass er sich wirklich mit
Frauen auskannte.
Auf
Basis seiner Idee gründeten sie eine Frauenbewegung. Für die Urzelle wählten sie
einen Slum in einer der ärmsten Gegenden der Welt. Die Nuono bauten dort eine
charismatische Führerin auf, die den konsequenten Zugang zu Bildung und
Verhütungsmitteln für alle Frauen forderte. Die Organisation wuchs schnell, dank
tatkräftiger finanzieller Unterstützung von VIPs wie Charlize Theron und
Lobbyarbeit.
Sobald
ein bestimmter Prozentsatz an Anhängerinnen in einem Gebiet erreicht war, wurde
die Bewegung zum Selbstläufer. Schließlich war eine weltweite Organisation
daraus geworden, die alle Staaten überrollte. Nicht einmal die kritischsten
Religionen konnten dem widerstehen. Als Folge begann die Weltpopulation
überraschend schnell zu schrumpfen.
Es
war perfekt. Leider trat der beabsichtige Effekt nicht ein. Trotz schwindender
Bevölkerung kam es zu sozialen Spannungen. Daraus resultierten lokale Konflikte,
die sich zunehmend ausbreiteten. Schließlich kam es zu einem verheerenden
weltweiten Krieg um Ressourcen.
Fynndir
studierte die Daten wieder und wieder. Die Nuono hatten nicht mehr viel Zeit. Es
war jetzt fast dreißig Jahre her, seit sie den ersten Computer gebaut hatten,
mit dem sie ihre gesellschaftliche Entwicklung vorhersagen konnten. Das Projekt
war ein voller Erfolg, das Ergebnis schockierend gewesen. Die Simulation sagte
vorher, dass der größte Teil der Bevölkerung einem Ressourcenkrieg zum Opfer
fallen würde.
Seitdem
suchten sie nach einem Ausweg. Mittlerweile hatten sie Millionen von
Simulationsszenarien durchgespielt. Immer endeten sie in einer Katastrophe. Auch
die letzte, obwohl sie so vielversprechend begonnen hatte.
Irgendwo
in den Daten war die Lösung verborgen. Er hatte so ein Gefühl. Schließlich
stemmte er sich aus seinem Sessel und ging hinüber zu Leandra. Seine Kollegin
bemerkte ihn erst, als er neben ihr stand. „Es ist schon erstaunlich, was du als
Charlize Theron zusammen mit diesem Miguel erreicht hast“, sagte
er.
Leandra
nickte. „Trotzdem hat es nichts gebracht. Ich habe immer gedacht, dass es an der
Überbevölkerung liegt. Obwohl wir sie mit dieser Simulation zum ersten Mal in
den Griff bekamen, hat es unser Problem nicht gelöst. Es ist zum Verzweifeln.
Ich fürchte, uns Nuono steht großes Leid bevor.“
„Wir
können jetzt nicht aufgeben. Ich spüre, dass wir kurz vor der Lösung stehen!“
entgegnete Fynndir.
„Ich
sehe keine Lösung. Wir haben Millionen von Szenarien überprüft. Am Ende kommt es
immer zum Krieg um die Ressourcen. Obwohl genügend da sind“, fügte sie nach
einer kurzen Pause hinzu.
In
Fynndirs Gehirn machte es „klick“. „Natürlich, das ist es!“ rief er. „Leandra,
du bist genial!“ Seine Kollegin blickte ihn verwirrt an. Sie hatte keine Ahnung,
warum sie genial sein sollte. Fynndir teilte seinen Geistesblitz mit ihr.
Innerhalb
weniger Stunden hatten sie eine neue Simulation aufgesetzt. Obwohl beide in den
letzten Tagen kaum geschlafen hatten, puschte sie pures Adrenalin zu
Höchstleistungen.
Nach
zwei Tagen hatten sie ein Ergebnis. Voller Euphorie und Stolz legten Fynndir und
Leandra es dem Leiter der Forschungsabteilung vor. So groß die Freude über die
gefundene Lösung war, so schnell folgte Ernüchterung. „Das ist unmöglich
durchführbar“, sagte Jeschwe.
„Aber
das Ergebnis spricht für sich. Es ist die einzige Lösung, die wir in dreißig
Jahren gefunden haben. Die Politiker müssen das einsehen.“
Jeschwe
schüttelte den Kopf. „Niemals werden die Politiker die legislative, exekutive
und judikative Gewalt an einen Computer abgeben.“
„Sie
müssen aber!“ trotzte Fynndir. „Nur so kann eine gerechte Verteilung der
Ressourcen sichergestellt werden. Zehn Prozent der Bevölkerung beanspruchen
neunzig Prozent der Ressourcen. Kein Wunder, dass eine Bevölkerungsreduktion das
Problem nicht löst.“
Niemand
sagte etwas. In Fynndirs Kopf rasten die Gedanken. Die letzten dreißig Jahre
hatte er mehr Zeit mit Computern und Programmieren verbracht, als jeder andere
Nuono, mit Ausnahme von Leandra. Er war sich sicher, dass Computer einen
besseren Job machen konnten als Menschen. Wenn das doch nur alle einsehen
würden!
„Die
Simulation beweist, dass es funktioniert. Wieso sollten die Nuono sich nicht von
Computern regieren lassen wollen?“, fragte Fynndir seinen Chef.
Jeschwe
blickte ihn überrascht an. „Wieso sollten sie?“, drehte er die Frage
um.
„Computer
sind unabhängig, neutral und haben keine Emotionen, Sie funktionieren streng
logisch und machen keine Fehler. Deshalb eigenen sie sich perfekt für alle
Verwaltungsaufgaben.
Dataminingprogramme können feststellen welche
Persönlichkeit wir haben, was gut für uns ist und was uns glücklich macht. Sie
sorgen dafür, dass wir genau das bekommen was wir wirklich brauchen. Zudem sind
sie unbestechlich. Das stellt sicher, dass jeder einen fairen Anteil
bekommt.
Sein
Chef dachte lange darüber nach.„Gut. Es wird aber nur dann funktionieren, wenn
die Computer Zugriff auf alle Daten der Nuono haben“, erwiderte Jeschwe nach
einer Weile. „Freiwillig wird das aber niemand zulassen, und gegen Gewalt wird
es immer Widerstand geben.“
„Ich
glaube, es gibt einen Weg“, sagte Leandra nachdenklich. „Es kommt darauf an, was
man den Leuten im Austausch für ihre Daten gibt.“
„Wie
meinst du das?“, fragten Fynndir und Jeschwe gleichzeitig.
„Na,
so Sachen wie kostenloser Zugriff auf Informationen, soziale Vernetzung, eine
Plattform zur Selbstdarstellung, bequemes Einkaufen über das Internet und so
weiter.“
Fynndir
verstand sofort. „Genial! Lass uns das schleunigst simulieren“, rief er voller
Begeisterung.
***
„Larry,
Du musst die Welt retten.“
Der
aus dem Nichts heraus Angesprochene blickte sich erschrocken um. Niemand war zu
sehen.
„Ich
bin hier“, sagte die Stimme.
Larry
konnte noch immer niemanden sehen. „Wo bist du? Ich kann dich nicht
sehen.“
„Mein
Name ist Fynndir. Du musst mir helfen, die Welt zu retten.“
„Die
Welt retten? Du machst wohl Witze. Wie kann ein einzelner Mensch die Welt
retten?“
In
diesem Moment öffnete sich die Tür zu Larrys Studentenbude. „Sergey, gut dass du
kommst. Es war wohl ein bisschen viel Bier gestern Abend. Ich höre
Stimmen.“
ENDE
Aloha!
AntwortenLöschenEine interessante Kurzgeschichte, die mich allerdings nicht wirklich überzeugen konnte. Die Lösung dieser ganzen Probleme hört sich für mich viel zu einfach und zu schnell an. Ist die Geschichte Teil deines Buches oder hat es damit etwas anderes auf sich? Trotzdem ein spannender Blog, ich werde weiterlesen!
- Pandora
Herzlichen Dank für das Feedback.
AntwortenLöschenDie Geschichte ist eine meiner Ersten. Sie steht für sich und hat nichts mit meinem Buch zu tun.
Der Beurteilung stimme ich zu. Sie müsste mal bei Gelegenheit (gründlich) überarbeitet werden.